Zunehmend gibt es Berührungspunkte zwischen Bürgern und dem steigenden Luftverkehr in Deutschland. DLR und Köln/Bonn Flughafen arbeiten deshalb verstärkt an Lärmquellen von Zivilmaschinen. Auch internationale Airlines sind interessiert an der Lärmreduzierung ihrer Maschinen, jedoch nur aus Kostengründen.
Köln. Aus der Ferne sieht man sie zunächst nur. Majestätisch gleiten sie dem Grund entgegen. Dann ein hohes Sirren, zunehmend dröhnend und schließlich fliegen sie zischend vorbei. Was für einige Beobachter am Straßenrand für Staunen sorgt, löst jedoch für Bewohner weniger Enthusiasmus aus und kennt nur einen Namen: Fluglärm.
Für diese Menschen ist es entweder ein pureres Stressphänomen oder ein beiläufiges Geräusch ihrer Umwelt wie das Vogelzwitschern auf dem Bauernhof.
Schon lange arbeiten DLR und Köln/Bonn Airport an Lösungen, diesen Lärm so gering wie möglich zu halten. Dabei bedienen sie sich verschiedener Elemente. Allerdings greift man seit letztem Jahr auf eine innovative Lasermesstechnik zurück, die es ermöglichen soll, die Ursachen genauer zu identifizieren. Diese Art der visuellen Messtechniken hat auch schon das Kölner Toyota Motorsport-Team zum Titel in der Langstreckenweltmeisterschaft verholfen und zählt zu den innovativsten ihrer Art. Sie machen Strömungen und ihre Strukturen im Triebwerksstrahl und damit Lärmquellen für Forscher sichtbar.
Angewandt wird diese komplexe Technik in Versuchshallen, die es bereits auf mehreren Flughäfen gibt. Als Testträger dient ein Flugzeug vom Typ Airbus A320 namens ARTA (Advanced Technology Research Aircraft).
Doch wer dachte, dass das Triebwerk das lauteste Teil am Flugzeug sei, täuscht: Entscheidend ist die Frage, wie die Strömung im Triebwerk noch besser beeinflusst werden kann, um den Lärm dahinter zu senken. Das heißt, dass das gesamte Strömungsbild eines Flugzeuges bestmöglich Turbinen und auch Tragflächen mit einander vereint. Auch wenn moderne Flugzeuge mit extrem teurer Technik ausgestattet sind, heißt das nicht, dass deren Potenzial komplett ausgeschöpft wird. Obwohl schon bereits modernste Technologien und Lösungen aus der Strömungstechnik erste Erfolge erbringen konnten, liegt der Lärmpegel eines Landen A380 laut Frankfurt Airport zwischen 70 und 80 Dezibel.
Cargo-Airliner als nächtlicher Albtraum
Große Cargo-Airliner aus den USA, wie der McDonnell Douglas-11 (kurz MD-11) erzeugen immer noch Werte zwischen 80 und sogar 95 Dezibel (dB) und sind für Bürger die immer noch größte nächtliche Lärmquelle. Grund sind hierfür eine alte veraltete Triebwerkstechnik und Aerodynamik. Das sieht auch Dipl. Ingenieur Dr. Isermann von der DLR: „Zum anderen wird im Frachtbetrieb in der Regel mit hohen Auslastungen geflogen, was zu schlechteren Steigleistung und höheren Pegeln am Boden führt“
Dipl.-Ing. Martin Partsch, Leiter für Schad- und Lärmmessung am Köln/Bonn Flughafen, sieht ebenfalls die Probleme in dem in die Jahre gekommenen Frachter:
„Für die MD-11 werden auch in den nächsten vier bis fünf Jahren die Tage gezählt sein und durch modernere Modelle ersetzt werden.“ Jedoch sieht er eine Modernisierung nicht als Ausweg aus der Fluglärmspirale: „Das wäre zu teuer, der Bauraum für neue Triebwerke würde einfach fehlen und sie selbst sind extrem teuer. So ein Triebwerk kann bis zu 20 Mio. Dollar kosten.“
Somit geht kein Weg an der Ausmusterung vorbei. Köln/Bonn Airport wollte 2013 mit Hilfe eines Nachlasses bei den Start-/Landegebühren einen Anreiz für den Kauf von leiseren Frachtmaschinen, wie der Boeing B777 machen, um gleichzeitig die alten Maschinen wie die MD-11 auszumustern. Zu sehen sind diese neueren Modelle vereinzelt, wie zum Beispiel bei dem Transportunternehmen FedEx.
Zu sehen sind hier auch die Wirtschaftsinteressen der Airlines und Flughäfen, die bei den Flugzeugen primär an geringem Verbrauch und hoher Kapazität bei der Abfertigung interessiert sind. „Lärm ist da eine Bremse – die in der Regel von den Behörden gezogen wird.“
Aerodynamik als wichtiger Faktor
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Strömungstechnik versucht man nun eine Korrelation zwischen Akustik und Aerodynamik zu finden. Anstatt komplette Flugzeuge für viel Geld umzurüsten versucht man sie mit kleinen Modifikationen leiser zu machen.
Laut Dr. Isermann, Ingenieur im Bereich Strömungstechnik der DLR in Göttingen, befindet sich innerhalb der Triebwerke zurzeit keine kritische Lärmquelle. „Die Turbine wird es vermutlich auch nicht werden, weil sie hochfrequenten Lärm generiert, der bei der Ausbreitung durch die Atmosphäre stark gedämpft wird.“
Strahllärm kann nur begrenzt reduziert werden, weil er außerhalb des Triebwerks entsteht. „Neben Senkung der mittleren Geschwindigkeit (durch Erhöhung des Nebenstromverhältnisses) kann man noch die Mischungsvorgänge zwischen Strahl und Luft verbessern – das geschieht in der Regel durch gezahnte Düsen.“
Reduzieren tut dieses Element laut Lufthansa jedoch nur einen Dezibel(dB). Insgesamt habe man aber schon 30 Prozent der Lärmemission mit der aktuellen Flotte reduzieren können. Andere Mechanismen zur Senkung des Fanlärms sind die Reduktion der Umfangsgeschwindigkeit – dadurch kann erreicht werden, dass die sog. „Kreissägentöne“ eliminiert werden. Diese entstehen, wenn sich die Blattspitzen des Fans mit Überschallgeschwindigkeit bewegen. Somit erzielt die Summe kleiner Veränderungen große Schritte. Wenn man sich an dem Flightpath2000-Konzept der EU-Kommission orientiert, welches vorsah das Ziel von ganzen 65% im Vergleich zu 2000 zu erreichen, fehlen noch mal 35 Prozent.
Konflikt zwischen Innovation und Gesellschaft
Als weiteres Beispiel für den Interessenkonflikt nennt Isermann die Entwicklung von Triebwerkskonzepten wie dem Open Rotor. Dieses weißt einen deutlich besseren Wirkungsgrad auf, aber auch deutlich lauter ist. Somit ist festzustellen, dass Innovation nicht immer im Einklang mit den nötigen Rahmenbedingungen von Gesetz und Gesellschaft einhergehen kann.
Es muss aber gesagt werden, dass sich mit der Einführung der neuen Triebwerkstechnologien in den letzten Jahren schon viel getan hat – allerdings wird es dauern, bis diese Technologien den Markt durchdrungen haben, da Flugzeuge typische Lebensdauern von 20-30 Jahren haben.
Lokale Schadensbegrenzung und Anreize für Airlines schaffen
Beim Flughafen setzt man dagegen verstärkt auf Lärmreduktion und Schutz vor Ort, angepasste Flugroutenführung und dessen Umsetzung bei den Gesellschaften. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Methode des kontinuierlichen Landeanflugs (CDA: continuous descent approach) in stark bewohnten Regionen. Anstatt ein Flugzeug wie üblich in mehreren Stufen absinken zu lassen, gibt man hier eine Mindestflughöhe von über Wohngebieten vor und lässt sie von dort aus in einer Steigung sinken. „Der Vorteil ist, dass man die Bebauung deutlich höher Überfliegen kann und dient besonders den Bereichen, die 20-30 km vom Flughafen entfernt sind.“ 2008 hat man dazu schon Versuche gemacht und messtechnisch begleitet. Besonders lohnt es sich in Ballungsgebieten wie Köln, Leverkusen und Siegburg. Geflogen wird diese Methode besonders in der Nacht. Als Vorteile nennt er die optische Wahrnehmung, Lärmminderung in einer Größenordnung von 3-6 dB und ein Treibstoffersparnis um die 200kg/Anflug). Kleiner Nebeneffekt: Die Airlines sind gewillt dies umzusetzen, da es bares Geld spart.
Laut Partsch wird dieses Verfahren von 22-6 Uhr durchgesetzt, künftig sogar bis 8 Uhr. Für die alte MD-11 muss es ganztägig angewandt werden. Als zusätzlichen Anreiz, schrieb der Flughafen einen Preis aus für die höchste CDA-Quote und die größte Steigerung: „Es kommt immer darauf an wie das von Gesellschaften und besonders der Flugkapitäne umgesetzt wird, – mit diesem Preis haben wir das erreichen können“.
Auch soll vermehrt auf die vorgegebenen Flugrouten in der horizontalen Ebene geachtet werden. So will man so wenige Wohngebiete wie möglich direkt überfliegen.
Daneben wird auch passiver Schalschutz betrieben. Rund 85 Mio. Euro flossen laut offiziellen Angaben in den Ausbau von ca. 24.000 Wohneinheiten rund um den Flughafen. Verzeichnen sind laut eigenen Umfragen hauptsächlich positive Ergebnisse.
Der Mensch als eigener Stressfaktor
Trotz allen Bemühungen muss sich der Flughafen gegen Klagen von Kommunen wehren, die sich immer noch nicht mit den Umsetzungen zufrieden geben: „Die Kommunen sind da ganz unterschiedlich, beispielsweise beklagt man in Siegburg vor Gericht unsere Nachbetriebsregelung„
Eine weitere Erklärung sei, dass 2/3 der Fluglärmbeschwerden sich nicht auf akustische Wahrnehmung allein beschränken, sondern auf die allgemeine Bereitschaft unterschiedlich auf diesen Lärm zu reagieren.
Die Belästigungsreaktion lassen sich nicht messen, da jeder Mensch anders auf Geräusche reagiert. Somit ließe sich auch nicht feststellen, ob Menschen generell mit der Zeit gestresster werden oder der Lärm selbst für ihren Zustand verantwortlich sei.
von Andreas Ellmerer